Konzept

Die „Fünf Esslinger“ sind ein Bewegungsprogramm, das zum Ziel hat, Muskeln, Knochen und Bewegungen so lange wie möglich fit zu halten. Das Programm wird seit mehreren Jahren von vielen Menschen erfolgreich angewendet. Es basiert auf den Forschungen der Altersmedizin, sowie auf der Physik und Physiologie der Bewegung. Danach werden wir Menschen beim Älterwerden im Bereich des Bewegungssystems von 4 Schwachstellen bedroht, und alle vier können mit den richtigen Übungen gezielt verbessert werden.

Was sind nun die vier Schwachstellen? Da ist zuerst die Muskelkraft, die mit dem Alter nachlässt. Diese Entwicklung heißt in der medizinischen Fachsprache Sarkopenie. Weil die ständige Knochenerneuerung des menschlichen Körpers von den Muskelkraftspitzen abhängt, folgt dem Muskelabbau der Knochenabbau. Muskeln und Knochen haben aber eine lebenslange Fähigkeit zu Wachstum und Erneuerung, hier liegt eine große Chance, das eigene Älter werden positiv zu beeinflussen. Bewegungsübungen müssen also so aufgebaut sein, dass Muskelmasse und Muskelkraft gesteigert werden.
Was mit dem Älterwerden aber noch stärker abnimmt als die reine Muskelkraft ist die Muskelleistung, die als Produkt aus Kraft und Geschwindigkeit definiert ist. Muskelleistung ist sozusagen Kraft in Bewegung. Die Abnahme von Geschwindigkeit, und damit Muskelleistung, ist somit die 2. Schwachstelle. Die dritte Schwachstelle ist der Verlust von Elastizität, wir werden mit zunehmendem Alter steifer. Um hohe Geschwindigkeiten von Bewegungen zu erreichen, braucht unser System aber die Vordehnung der Muskeln und Sehnen. In gedehnten Muskeln und Sehnen wird wie beim Bogenschießen Energie gespeichert. Wer elastisch bleibt oder es wieder wird, erhöht seine Schnelligkeit, und damit die Muskelleistung besonders in kritischen Momenten wie dem stolpern. Die vierte Schwachstelle ist die dynamische Kontrolle des Einbeinstandes, und zwar besonders zur Seite. Der Zweibeiner Mensch verlagert beim Gehen den Körper ja abwechselnd auf ein Bein. Die beschleunigte Masse über dem Hüftgelenk beträgt 80 % des Körpergewichtes und muss auf eine fußsohlengroße bewegliche Standfläche verlagert werden. Dies ist eine höchst labile Situation, die blitzschnelle, kontinuierliche feine Regulationen durch das Nervensystem erfordert. Es geht hier um den empfindlichsten und schwierigsten und damit wichtigsten Moment der Fortbewegung: die Gewichtsverlagerung in den Einbeinstand. Jeder kann es sofort ausprobieren: machen sie einen schnellen Schritt nach vorn auf ein Bein, und bleiben Sie vier Sekunden auf dem Bein stehen. Und machen Sie denselben schwungvollen Schritt zur Seite. Nicht hin und her schwingen, das ist leichter, sondern die kinetische Energie kontrolliert in den sofortigen Stand abfedern.

Bei einem effektiven Bewegungsprogramm geht es also um die Schlüsselfunktionen von Gehen und Laufen, die beim Älter werden schlechter werden, wenn sie nicht mit einem genau gezielten Training erhalten werden: Balance zur Seite, schnelle Bewegungen auf einem Bein, Kraft der hüftumgebenden Muskulatur, Flexibilität. Mit unserem Bewegungsprogramm „Fünf Esslinger“ können diese Schlüsselfunktionen effektiv verbessert werden, das haben wir in mehreren Untersuchungen bestätigt gefunden.

Ein rationales Training für die Muskel-Knochen-Fitness, definiert als Fähigkeit zur sicheren und effektiven Fortbewegung, kann in 5 Komponenten aufgeteilt werden: Kraft, Schnelligkeit, Beweglichkeit, Koordination und Ausdauer. Jede dieser Komponenten hat andere Trainingsregeln, andere Dosierungen, andere Übungen. Diese Differenzierungen werden im Bewegungsprogramm „Fünf Esslinger“ genau aufgeführt.

Das Fünf-Esslinger-Programm umfasst 4 der 5 Fitnesskomponenten, und sollte um Ausdauertraining ergänzt werden, und umgekehrt sollte Ausdauertraining ergänzt werden durch die „Fünf Esslinger“.

Der medizinische Hintergrund für ein besonderes Bewegungsprogramm ergibt sich auch aus der Muskelphysiologie. Die menschliche Skelettmuskulatur hat zwei verschiedene Sorten von Muskelfasern: rote (Typ I) und weiße (Typ IIa und IIx) Fasern. Die weißen Muskelfasern sind fünfmal stärker und fünfmal schneller als die „roten“, sind allerdings wegen ihrer anaeroben Energieversorgung in weniger als 90 Sekunden erschöpft. Sie sind sozusagen der Turbo, der nur in besonderen Situationen zugeschaltet wird. Sturzverhinderung und Stimulation des Knochenwachstums sind solche Situationen, in denen weiße Muskelfasern gebraucht werden, und dafür muss man gesondert üben.

Um auf Dauer zu wirken, müssen Übungen lebensbegleitend durchgehalten werden. Das ist ohne Zweifel das größte Hindernis. Der Zusammenhang zwischen Bewegung und Gesundheit muss immer wieder gedanklich durchgearbeitet werden. Der Dialog mit Ärzten, Therapeuten, Freunden oder Gleichgesinnten ist hilfreich. Am besten ist hier eine Übungsgruppe mit Gleichgesinnten zur gemeinsamen Motivation und zum Erfahrungsaustausch.

Die Dosis macht`s. Gerade für hohe Krafteinleitungen wie beim „Wippen und Hüpfen“ ist eine extrem langsame Steigerung der Übungen wesentlich. Dadurch werden die Sehnen adaptiert, die das empfindlichste Glied in der Kette sind. Bei chronischen Sehnenreizungen gehen Monate verloren oder es geht sogar abwärts. Solche Überlastungen und Verletzungen sind Rückfälle, die mit zunehmendem Alter immer schwerer aufzuholen sind. Ein extrem geduldiger Aufbau des individuellen Übungsprogramms ist erforderlich.
In welchen Portionen soll man Bewegung verabreichen? Bewegung sollte wie Ernährung in kleinen Portionen über den Tag verteilt werden, nicht in 2 oder 3 übergroßen Portionen pro Woche verschlungen werden. Es sind die ständig in den Alltag eingebauten Übungen, die den besten Erfolg bringen. Jede Treppe hat viele Stufen zur Gesundheit, jeder Aufzug ist ein Verzicht auf ein Stückchen Gesundheit. Wer z.B. immer wieder tief in die Hocke geht, übt überaus wichtige Muskelgruppen und dehnt wichtige Gelenke/ Sehnen, die allzu oft in späteren Jahren eine Schwachstelle darstellen (Abb. 1). Wer immer wieder auf einem Bein balanciert, lernt ständig dazu (Abb.2). So wird aus dem Älterwerden anfangs ein Besserwerden, und auf jeden Fall wird später alt, wer beharrlich übt.